Fehlrechnung um Faktor 1:528 ist im Schnitt kein Problem - sagt Pro7

2005-11-07
Ob Paris knapp über 2 Mio. Einwohner hat oder knapp über 12 Mio. ist reine Definitionssache: Betrachtet man das reine Stadtgebiet kommt man auf die erste Zahl, nimmt man den Großraum als Maßstab, dann hat man die zweite Zahl. Setzt man die Zahl 12 961 dagegen, dann kommt man auf den Faktor 1:892 oder auf den Faktor 1:165 - auch hier hängt es davon ab, wie man Paris definiert.

Ganz Paris?  Nein,
nur ein Vorort Im Durchschnitt ist die Einwohnerzahl von Paris ungefähr 528 mal größer als die Zahl 12 961. Dumm also für Pro7, dass die Ausgangssperre für den Ort Raincy gilt - dessen Bürgermeister sich angesichts der Krawalle zu diesem Schritt entschieden hat. Dumm auch, dass Raincy zwar ein Vorort von Paris ist, aber höchsten ein Achthunderzweiunneunzigstel zur Bevölkerung von Paris beiträgt. Die große Mehrheit der Pariser Bevölkerung darf demnach heute nacht gerne Wein trinken gehen - so sie mag. Missinformation bei Pro7? Rechenfehler? Bewusst veröffentliche Falschmeldung?

Dessert mit Sahnehäubchen: Deutsche Politiker, die sich schnellstmöglich entblöden, Pariser Verhältnisse auch hierzulande herbeizureden. Ohne natürlich auf die kleinen Unterschiede der Immigrationsgeschichte beider Länder einzugehen. Warum auch, gilt es doch ein Angstgefühl bei der Bevölkerung zu schüren. Eventuell kann man auf die Ängste ja später noch mal bauen - zum Beispiel wenn man Bürgerrechte weiter einschränken möchte. Irgendwie muss man das ja verargumentieren.

Geschrieben um 21:39

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Neubausparkasse

2005-11-07
Liebe Musikindustrie, wir wissen ja alle, dass du es furchtbar schwer hast: Niemand will die Platten deiner Künstler kaufen, alle wollen die Musik umsonst aus dem Internet runterladen. Und weil das so ist, entlässt du Künstler aus den Verträgen, die — sagen wir es mal so — keinen Shareholder Value mehr haben, weil sie nicht mehr die Verkäufe aus ihrer Glanzzeit bringen, versuchst dich nicht an Diversifikation, sondern suchst immer das nächste große Ding; Repertoirepflege ist nicht mehr angesagt. Und um deine restlichen Kunden auch noch zu vergraulen, packst du auf die übriggebliebenen Alben einen Kopierschutz drauf, wahrscheinlich in der Hoffnung auf dem wachsenden Downloadmarkt noch mal zu kassieren. Denn seinen MP3-Player oder sein Notebook darf man ja nicht mehr selber bestücken. Wahrlich eine geschickte Strategie um Fans zu binden. Geht das nicht anders?

Einstürzende Neubauten -
Grundstück Aber sicherlich. 2004 erschien das “Supporter Album #1” der Einstürzenden Neubauten — vorfinanziert durch “official supporters”, die sich aus der Fanbasis der Neubauten rekrutierten. Neugierig geworden, sprach ich im März 2004 auf dem Münchner Konzert mit der Supporterbeauftragten der Band.

Für einen Preis von EUR 30,- (so ich mich recht erinnere) konnte man Supporter für das nächste Album (CD) werden, für etwas mehr konnte man eine DVD supporten, natürlich auch beides für den entsprechenden Preis. Sicherlich nicht günstig für ein Album - aber wenig genug, um das einfach mal auszuprobieren. Schließlich sollte es zum Abschluss der Phase II nicht nur ein Album geben, es gab von Anfang an noch ein wohl geschnürtes Zusatzpaket - eine Mailadresse @neubauten.org, Diskussionsforen für die Supporter und regelmässige Webcasts aus dem Studio bzw. Liveübertragungen von Konzerten. Stellenweise auch archiviert und zum Download bereitgestellt.

Was mit einem kurzen Gespräch mit der Band nach dem Konzert begann (Supporters Only) und mit einigen Downloads weiterging, endete am Freitag mit der neuen Platte: Grundstueck. Neben dem eigentlichen Album fielen mir zwei Papphüllen entgegen - mit zusätzlichen Kopien des Albums. “Enclosed are two extra copies of the CD, which are yours do to[sic!] as you please”. Das ganze drumherum relativiert den Preis für das Album doch enorm — und netterweise hat man auch noch was zum Verschenken.

Zur Musik: Es ist ein Album der Einstürzenden Neubauten, stellenweise sehr relaxed. Neben vier weiteren Stücken ist “Grundstueck” der Kern des Albums, ein aus 6 Liedern bestehendes Konzeptalbum im Album. Musikalisch erinnert “Grundstueck” an den Vorgänger “Perpetuum Mobile” - die Musik der Neubauten ruht in sich selbst, der “unglaubliche Lärm” scheint sich auf die eher experimentellen Musterhaus-Releases zu konzentrieren. Spannend ist die Musik trotzdem, sie fordert dem Zuhörer einiges an Aufmerksamkeit ab, um ihre Wirkung entfalten zu können.

Ende Neu: Liebe Musikindustrie, so bindet man den Kunden an sich. Man gibt ihm Mehrwert, man gibt ihm das Gefühl, dass er ernstgenommen wird. Dann kommt er wieder. Und zahlt auch. Und kopiert nicht. Liebe Neubauten: Count me in for Phase III.

Geschrieben um 00:00

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