Hey motherfucker, this is not a punk rock show — this is rock’n’roll

2007-04-19
Die Dame war angesäuert. Nein, sie war sauer. Richtig sauer. Seitdem sie auf der Bühne stand. Jemand in der Mitte des Publikums stieß ihr dumm auf. Und sie schrie ihn an. Ihm war das wahrscheinlich egal. Warum auch nicht. Ich würde mich von Juliette Lewis auch anschreien lassen. Der Show tat das keinen Abbruch — im Gegenteil. Die Dame trat Hintern. Aber massiv.

Auf dem letzten Konzert sind mir die Plakate aufgefallen. Juliette and the Licks. Die Juliette? Juliette Lewis macht Musik? Interessant. Als dann ein Freund bekanntgab, dass man ihn auf diesem Konzert finden kann, konnte ich nicht nein sagen. Also hin — ohne auch nur ein Stück zu kennen. Das blieb auf dem Konzert auch so. Bis auf dieses Disco-Cover. Peinlich, dass einem sowas im Ohr hängen bleibt. Nicht, dass das nicht auch Rock’n’Roll gewesen wäre — wie der Rest der Show.

Von vorne: Man steht da im Publikum. Und wartet auf eine Schauspielerin, die auch Musik macht. Was meistens nicht funktioniert, von einigen Ausnahmen wie Bruce Willis abgesehen. Und dann kommt diese All-American Band auf die Bühne. Zwei Gitarristen, ein Bassist und ein Schlagzeuger. Und spielt Rock. Dann die Schauspielerin Sängerin. Und beim ersten Ton weiß man: Das ist eine Liveband.

Typisch amerikanischer Rock’n’Roll. Treibend. Sie shoutet sich die Seele aus dem Leib, die Band kracht dazu. 90 Minuten lang schwitzen, grooven, freuen. Nichts, was man auf Platte haben müsste. Aber man sollte es gesehen haben. Live. Nach vorne gehendes Schlagzeug, satter Bass, krachende Gitarren. Und dazu diese Stimme: Fordernd, säuselnd, schreiend. Und die Entertainerin, die ihr Publikum immer wieder anstachelt. Eine Band mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz. Toll. Einfach toll.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Vorband: Metro Riots, eine moderne englische Pubrockband. Laut, hart, schnell. Punk Blues. Für Vorbands eher selten: Leider viel zu kurz.

Ein schöner Abend. Wer kann, sollte sich Juliette and the Licks live antun. Und die Metro Riots erst recht.

Es war nur Rock’n’Roll. But I liked it.

Geschrieben um 00:07

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Rock Action

2006-05-17
Nachdem ich hier ja letztens über das tolle Mogwai-Konzert geschrieben habe, habe ich festgestellt, dass die Musik mit Worten schwer zu beschreiben ist — zumindest für mich.

Was für ein Glück also, dass Mogwai letzte Woche in Washington gespielt haben und das National Public Radio das Konzert aufgenommen hat. Leider nur *ein* MP3 für das ganze Konzert, aber immerhin.Herunterladbar ist es hier.

Eventuell ist es ja demnächst auch auf einer der Tauschbörsen zu finden, die Konzerte von taperfreundlichen Bands tauschen - wie zum Beispiel PureLivegigs. Dort lässt sich zumindest eine qualitativ gute Aufnahme des Mogwai-Konzertes in Rotterdam vom 14.4.2006 finden. Get it while it’s hot.

Geschrieben um 22:46

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Warst Du nicht fett und rosig?

2006-05-02
Ich weiß jetzt gar nicht, worüber ich schreiben soll. Ich hätte gerne ein Thema. Irgendwas, an dem man sich festhalten kann. Etwas, was nicht billig ist, sondern besteht. Etwas, was wahr ist. Interessante Gedanken. Kein Posen, bitte. Ich schaue am besten mal, ob noch ein Themenladen geöffnet ist. Aber um die Uhrzeit ist das unwahrscheinlich.

Genau. Die Sterne waren in der Stadt. Eigentlich in einem der kleinsten Läden der Stadt gebucht - dem Ampere an der Muffathalle - mussten sie denn doch im Studio 1 des Bayerischen Rundfunks spielen. Im Rahmen der lobenswerten Bavarian Open Sessions. Den Abend eröffnet hat Rainer von Vielen, ein Musiker aus dem Allgäu. Mit seiner Mischung aus Rap, Ragga und Funk hat er den Besuchern, die nicht vor dem Studio standen und Bier tranken, ein nettes Konzert abgeliefert. Rainer hat eine tolle Stimme zwischen 20 Zigaretten pro Stunde und klarem Tenor, für eine Vorband begeisterte er.

Dann Die Sterne. Anfänglich kämpfte man gegenüber dem Publikum mit Songs des neuen Albums “Räuber und Gedärm”. Dann kämpfte man noch einen weiteren Song gegen den Mixer. Insgesamt vier Songs später hatte man den Laden im Griff. Stücke der neuen Platte wechselten mit “Oldies” der anderen Scheiben seit 2000, die ganz alten Stücke sparte man sich zuerst. Außer dem “Universal Tellerwäscher”, der zu Anfang des Konzertes seine Arbeit verrichten musste. Der tut auch nicht nur so.

In kleiner Besetzung — vier Leute — spielte man sich dann durch das (Back)Repertoire der Sterne, wobei der größte Teil der Stücke von den Platten nach den Interessanten Gedanken kam. Dennoch funkte und rockte man sich durch 26 Stücke (plus zwei akustische Dreingaben) und bewegte das Publikum zum stagesurfen. Rockiger als auf den Platten spielten sich Spilker und Co durch ein Programm, das von den Zuschauern begeistert aufgenommen wurde.

Auch wenn “Gerechtes Brett” fehlte, so waren doch mit den “Interessanten Gedanken” und “Was hat dich bloß so ruiniert” die bekannten Songs der Spät-90er-Phase der Sterne vorhanden. Meinetwegen hätten die vier Jungs auf der Bühne mehr aus der Zeit spielen können, aber ich muss ja niemandem meine romantische Verfassung aus der Zeit aufs Auge drücken.

Mit einem gehauchten “Wenn dir St. Pauli auf den Geist geht” verabschiedeten sich die Vier nach 26 Stücken. Drei Fragen bleibt allerdings offen:

Wo fing es an?
Was ist passiert?
Was hat dich bloß so ruiniert?

Aber um den Ebay-Spruch zu bemühen: Jederzeit wieder. Immer.

Geschrieben um 01:42

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Happy Songs for Happy People

2006-04-24
Darf ich vorstellen? Mogwai — gegründet 1996 in Glasgow — ist die Band, die diese fröhlichen Songs schreibt. Songs, die dich in der einen Minute mit einer melancholischen Pianomelodie in Sicherheit wiegen, und dich dann in dem Moment, in dem du nicht aufpasst, mit der Wucht einer ungebremsten Dampframme in den Boden stampfen. Songs — zum größten Teil instrumental — die von ruhigen Melodien und einer unheimlichen Dynamik leben. Songs, die Phil Spector vor Scham im Boden versinken lassen, da sie definieren, was die “Wall of Sound” wirklich ist.

Was auf Platte schon eine solche Wirkung hat, legt live noch einmal zu. “Achtung, teilweise extreme Lautstärke — Gehörschutz gibt es an der Garderobe” — mit diesen Plakaten warnt der Veranstalter beim Eintritt in die Halle. Und das Geld ist gut angelegt. Kann man in einem Moment noch den etliche Meter entfernten Tresenleuten beim Gespräch zuhören, während die Band spielt, so kann man einen Moment später sein eigenes Schreien nicht mehr hören. Eine neben einem startende Harley würde man wahrscheinlich nicht wahrnehmen.

Ich habe noch nie eine Band gehört, die so viel Dynamik ins Spiel bringt - vom fast unhörbaren Flüstern des Windes bis zum wütenden Orkan. 90 Minuten atemberaubende Musik. Auf der Setliste befinden sich Songs aller Alben. “Auto Rock” und “Travel is Dangerous” vom neuen Album Mr. Beast eröffnen das Konzert, zwei ruhigere Stücke zu Beginn. Bevor sich Mogwai an die längeren Stücke wagt, kommen erst noch mal etwas kürzere Songs von “Happy Songs for Happy People” zu Gehör. Danach wird es zum ersten Mal laut. Es folgten weitere 70 Minuten spannender Musik, bis die Band nach zwei Zugaben in einem Feedbackinferno die Bühne räumt. Einfach großartig, wie das Wechselspiel von Laut und Leise keine Zeit zum luftholen lässt. Ein tolles Konzert einer sehr guten Liveband, bestimmt nicht mein letztes.

Es folgt ein explizites Lob an den Mixer: Auch an den lautesten Stellen waren alle Instrumente klar unterscheidbar, auch die ansonsten notorisch unter den Tisch fallenden Keyboards waren zu jeder Zeit präsent. Toller Job. Wirklich. Und die kleine Elserhalle hat eine ziemlich gute Akustik — auch das ist in München recht selten, wenn ich so an Muffathalle, Tonhalle oder gerade das Zenith denke.

Ein schöner Abend, über den ich mich sehr gefreut habe. Und ich kann auch schon wieder was hören.

Geschrieben um 01:05

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Bavarian Open Update

2005-12-04
Wie es ausschaut, tröpfeln so langsam die ersten Aufnahmen der Bavarian Open beim Bayerischen Rundfunk ein.

Hier finden sich auf jeden Fall schon mal drei Liveaufnahmen des von mir auf dem Festival favorisierten Shantel & Bucovina Club Orkestar - ich denke (na gut, weiß), dass da noch anderer Kram folgen wird. Der Name “Bavarian Open Source” ist allerdings immer noch daneben.

Geschrieben um 21:08

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Feeling slightly hung over …

2005-11-27
… und das alles wegen dem hier. Tolle Party, tolle Leute, musikalisch aber nicht ganz so meines.

Ein paar Highlights gab es schon: Die “Leopold Kraus Wellenkapelle”, die “Kings of Black Forest Surf” spielte lustigen Surfsound, den ich leider nur vor dem Studio erleben durfte (voll, voll, voll!), Bernadette La Hengst spielte SoloElectricFunkChansons, leider fehlte der aus dem Computer kommenden Musik ab und an die Spontanität, was Bernadette La Hengst durch ihre Bühnenpräsenz ausglich.

Deichkind, die (Ex-)Hip-Hopper aus Hamburg, sind jetzt die “Electric Super Dance Band” und machen Live wirklich Spaß - dass ich das mal sage, hätte mir vorher mal jemand sagen sollen. Sehr lustiger Auftritt, treibender Sound, ein mitgehendes Publikum - tatsächlich eines der Highlights. Mein persönliches solches war dann “Shantel & Bucovina Club Orkestar”, Swing und Brass aus dem Balkan, tanzbar arrangiert. Das ganze druckvoll dargeboten - wirklich schweißtreibende Musik. Kaufen, kaufen, kaufen (Shantel: Bucovina Club und Bucovina Club2) - und unbedingt hingehen, so die mal in der Stadt sein sollten.

Verpasst habe ich dann das “Go Team”, die leider parallel zu Shantel liefen, und Cobra Killer. Schade. Alles in allem aber ein sehr hübscher Abend.

Geschrieben um 15:41

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Dann ist elektronische Musik an meinem Ohr

2005-11-25
1995 stirbt Reinhard Furrer unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz. Zehn Jahre vorher wurde er als einer der beiden deutschen Astronauten berühmt, die die erste europäische Spacelab-Mission an Bord der Raumfähre Challenger betreuten. Was seinen Weltraumflug auszeichnete: Furrer führte ein Tonbandtagebuch über seine Mission, in dem er seine Gefühle und Eindrücke während seiner ganzen Reise festhielt. Zwanzig Jahre nach diesem Flug bereiteten Andreas Ammer und Martin Gretschmann dieses Tagebuch zu einem Hörspiel auf.

Bild der Erde aus dem WeltraumFurrers Diktaphonaufnahmen werden in diesem Hörspiel über verhaltene Beats gelegt, stellenweise werden seine Worte aus dem Zusammenhang gerissen und in die Musik gemixt; zum größten Teil gibt man seinen Worten aber den Platz, den sie benötigen. Jetzt — ziemlich genau zwanzig Jahre nach Furrers Weltraumreise — heben Ammer und Console dieses Hörspiel im Rahmen einer kleinen Tour auf die Bühne.

24. November 2005, München, Kranhalle im Feierwerk: Im Hintergrund ein Bild der Raumfähre Challenger, auf der Bühne geben sich Apple-Notebooks und elektronische Instrumente ein Stelldichein. Unterstützt von Sänger und Gitarrist Axel Fischer und der Sängerin Miriam Osterrieder lassen Ammer und Console den Astronauten Furrer von seiner Reise erzählen. Nahe am Hörspiel — gestützt von Videoeinspielungen, die Furrers Flug von der Vorbereitung bis zur Landung begleiten — wird eine extended Version des Stücks aufgeführt. Durch den eng gesteckten Rahmen wirkt das Konzert eher wie ein Kammerspiel, ein Hörspiel zum zuschauen.

Spaceman 85 lässt den Musikern wenig Platz für Improvisationen, ruhig stehen sie auf der Bühne und bedienen ihre Instrumente — über allem Furrers Reportage über seinen Flug. Das faszinierende an dieser Reportage ist die ruhige Stimme Furrers, mit der er seine Eindrücke schildert. Im Gegensatz zum Hörspiel, in dem der Zuhörer die Bilder in seinem Kopf entstehen lassen muss, werden hier auf der Bühne einige der Bilder, die Furrer vor Augen hatte, gezeigt. Erstaunlicherweise schadet das der Aufführung nicht, im Zusammenspiel mit der Livemusik werden die Bilder im Kopf eher gestärkt denn geschwächt.

Eine faszinierende Aufführung, die Lust auf mehr Hör- und Sehspiele dieser Art macht. Zu hoffen bleibt, dass das Radio genügend Mut aufbringt, solche Stücke weiter zu fördern und zu produzieren — und sie einem Publikum nahe zu bringen. Selbstgemachte Bilder im Kopf sind manchmal doch das bessere Fernsehen.

Geschrieben um 00:45

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Eine Stunde Arschtreten: EUR 12,- (inkl. VVK)

2005-11-17
Sie würden ungerne länger als eine Stunde spielen, so die Band in einem Interview. Dafür bekomme das Publikum in dieser Stunde dann alles. Viel mehr Material hat man mit der EP und dem Debütalbum ja auch noch nicht. Aber reicht das?

Das reicht. In einem mäßig vollen Atomic Cafe standen gegen 23:00 Uhr nach einer mäßigen Vorband die vier Jungs und Mädels aus Schottland auf der Bühne. Eine straff zelebrierte Mischung aus Country, Folkrock und sehr reduziertem New Wave zeigte ihre Wirkung — das bei der Vorband noch recht lethargische Publikum tobte zwar nicht, hatte aber sichtlich seinen Spaß.

Neben meinem persönlichen Höhepunkt “Johnny Cash” von der Debüt-EP (diesen Song habe ich noch bei Charlotte Roche auf Viva entdeckt) wurde nahezu das komplette Songbook der Band gespielt. Überzeugend vor allem durch eine unheimliche Bühnenpräsenz gepaart mit einem sehr lockeren Umgang mit dem Publikum. Einfach eine Stunde lang wundervolle Musik einer wundervollen Band.

Sons and Daughters love you. Unbezahlbar.

Geschrieben um 01:08

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