Der Täter hatte keinen Migrationshintergrund

2006-05-27
“Von einer ausländerfeindlichen Tat wird nicht ausgegangen”. Liebe Medien: Was soll das? Spiegel hatte den Spruch mit dem Migrationshintergrund drin — in Anführungszeichen, aber es ist unklar, wer zitiert wurde, die Reporterin bei “Heute” wies ausdrücklich darauf hin, andere Medien haben laut Bekannten ebenfalls diese Aussage in ihren Beiträgen. Natürlich ist das Niederstechen von 28 Menschen eine verabscheuungswürdige Tat. Aber muss die Berichterstattung darüber genauso verabscheuungswürdig sein?

Noch einmal die Frage: Was soll das? Wieso wird explizit darauf hingewiesen, dass der Täter kein Ausländer ist? Wieso wird von anderer Seite explizit gesagt, dass es keinen ausländerfeindlichen Hintergrund für die Tat gäbe? Amokläufe traut man nur dem Türken zu? Oder doch eher dem Rumänen, der in der Ostmafia keinen Platz mehr bekommen hat? Deutsche begehen nur ausländerfeindliche Taten? Das ist es doch, was diese Sprüche bedeuten: “Obwohl wir eine solche Tat nur einem Ausländer zugetraut hätten, mussten wir mit Erschrecken feststellen, dass es ein Deutscher war! Aber der war kein Nazi, was uns genauso überrascht hat!”

Mal abgesehen von dem Stuss mit dem Migrationshintergrund — ist “Ausländer” plötzlich nicht mehr gut genug? Oder will man damit jetzt auch deutsche Staatsbürger treffen, die aus dem Ausland nach Deutschland gezogen sind — ist nicht klar, dass es genau solche Aussagen sind, die schädigen? Ist nicht klar, dass man hier eigentlich impliziert, dass man auf die Ausländer aufpassen muss, weil sie zum Amoklauf neigen (es war übrigens kein amerikanischer Postangestellter. Ist das nicht genauso seltsam?). Dass der gute Deutsche nur die vorgenannten Ausländer angreift?

Ist es nicht eher so, dass die Arschlöcher in allen Bereichen sitzen? ich habe ja nichts dagegen, wenn bei so einer Tat darauf hingewiesen wird, dass der Täter Ausländer war — so das stimmt. Oder dass der Typ, der den Schwarzen aufgrund seines Aussehens verprügelt hat, Deutscher war. Aber bitte doch nur, wenn das für die Tat irgendeine Relevanz hat.

Der Täter war übrigens Neuköllner, lieber Spiegel. Eventuell wollt ihr den Neuköllnartikel von 1997/1998 noch mal auspacken? Der war nämlich genauso beschissen wie eure momentane Berichterstattung zu dem Thema. Was passiert eigentlich, wenn sich rausstellt, dass die Familie des Täters aus dem Osten kommt?

Ach ja liebe Medien, ihr habt noch etwas vergessen: Es gab keinen terroristischen Hintergrund. Bin Laden war auch nicht beteiligt. Und es war wahrscheinlich auch kein Protest gegen den schlechten Service der Bahn. Könntet ihr bitte in der weiteren Berichterstattung auch darauf hinweisen?

Danke.

Geschrieben um 20:54

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