Und der Bahnchef schenkt den Deutschen einen Freizeitpark

2006-06-05
Wie weiland Bolle, so stürmt der Berliner aus Gründen des Amüsements das Neueste, was seine Stadt zu bieten hat: Den Berliner Hauptbahnhof der Die Bahn. Mitten in den Märkischen Sand gesetzt, konkurriert das Gebäude mit den anderen Palästen der Republik um Aufmerksamkeit. Und gewinnt: Versuchte diese Menschenmenge in die Glaskuppel des Reichstags zu kommen, sollte man berechtigte Angst um unsere Demokratie haben. Das ganze Volk passt nun einfach nicht hinein.

Mit den Ausmaßen eines mittleren Verkehrsflughafens gesegnet, bietet der Bahnhof den geschätzten anderthalb Millionen Besuchern Platz — nicht unbedingt zu Genüge, dem Zweck des Gebäudes angepasst fühlt man sich wie im KDW am letzten verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten. Laden an Laden reiht sich wie auf einer Perlenschnur, drei der fünf Ebenen bieten dem Konsumenten alles, was die Plastikkarte hergibt. Fußgängerzonenfeeling stellt sich ein - dafür komplett überdacht.

Wie in jeder vernünftigen Innenstadt ist für alles gesorgt: Ein Supermarkt, diverse Bäcker, McDonalds, Burger King, Restaurants von Sushi bis Pizza sorgen dafür, dass der Besucher dieses Vergnügungsparks nicht völlig entkräftet am Rande der Einkaufsgalerien jämmerlich krepiert. Diverse Modemarken locken in schön dekorierte Läden; ist der Besucher verschwitzt, so kann er im Drogeriemarkt für eine Auffrischung seines Deodorants sorgen. Ein Virgin Megastore versucht neben Buch- und Zeitschriftenladen für das geistige Wohl zu sorgen. Wer sich völlig verirrt hat, kann sich schlußendlich ein Mobiltelefon kaufen, um Hilfe herbeizurufen.

Einzig an Außengastronomie mangelt es, auf der Freifläche am Europaplatz hat man lieber einen sandigen Parkplatz angelegt, am Washingtonplatz hat man sich ebenfalls für die große Leere entschieden. Schade, denn so könnte man den Besuch dieser städtischen Attraktion mit einem gepflegten Biere ausklingen lassen und die Außenansicht des Bahnhofes mit seinen spiegelnden Glasflächen genießen.

Die negativen Seiten des neuen Bahnhofs zu verschweigen ist dennoch nicht möglich. Ein kleines, leicht gehetzt dreinschauendes Grüppchen versucht den Besuchern das Vergnügen am Bahnhof zu vermiesen: Mit großen Koffern bewaffnet versuchen sie möglichst schnell an den gemütlich Flanierenden vorbeizukommen, ohne Rücksicht auf Kollateralschäden. Da werden ruhig am Ende der Rolltreppe stehende Konsumenten angeschnauzt, andere bekommen Stöße mit übergroßen Reisetaschen ab, auf Rolltreppen wird lautstark “rechts stehen, links gehen” gefordert. Doch der Berliner ist gestählt darin, das zu ignorieren, was seinem Vergnügen abträglich sein könnte.

Was eher nicht ignorierbar ist: Einige der Besucher finden sich auf der untersten oder obersten Ebene wieder und wenden sich angeekelt ab: Keine Läden in Sicht, keine Steigerung des Konsumgenusses, verschenkter Platz. Kein Vergnügen, kein Ort für den Berliner.

Auch gibt es ein paar kleinere Mängel zu beklagen: Fehlende zentrale Zugabfahrtstafeln, viel zu wenig öffentlich sichtbare Uhren, versteckte Reisezentren und Wagenstandsanzeiger, die sich in Bahnsteigmitte befinden — bei Rolltreppen, die an den beiden Enden des Bahnsteiges ihre Fahrt abschließen — sind allerdings Dinge, die nur irgendwelchen Reisenden aufstoßen dürften.

Und für die ist der Bahnhof ja nicht gedacht. Das sollte für den Fahrgast schon daran erkennbar sein, dass er sich für einen Umstieg von einer Nord/Südverbindung in eine Ost/Westverbindung von der untersten in die oberste Ebene durch die Menschenmassen quälen darf. Plötzlich sehen die Umstiegszeiten im Münchener Hauptbahnhof sehr positiv aus, auch wenn man von Gleis 1 in den Starnberger Flügelbahnhof muss.

Und Bolle? Bolle hat sich köstlich amüsiert. Natürlich. War ja Pfingsten. Dem Reisenden sei allerdings empfohlen auf einen anderen Bahnhof auszuweichen, so möglich.

Geschrieben um 00:00

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Liebe American Express,

2006-06-05
“Erleben Sie das Konzert des Jahres wie ein Roadie” — wen willst du mit diesem Gewinnspiel ansprechen? Eventuell kannst du mir ja mal verraten, wer sich darüber freuen soll, zwei Tage lang knochenharte Arbeit zu machen, nur um dann völlig erschöpft ein Konzert zu sehen, bei dem man hinterher noch die Bühne abbauen darf? Oder meintest du das anders? Dann sag das doch.
Dein Ralph

Geschrieben um 00:00

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