Nachsatz:

2007-11-11
Dass Abgeordnete nicht unter die Vorratsdatenspeicherung fallen, ergibt sich so aus Artikel 47 des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat den Informantenschutz allerdings in mehreren Urteilen direkt aus Artikel 5 des gleichen Gesetzes abgeleitet - dort, wo auch die Pressefreiheit kodifiziert ist.

Und genau dieser Informantenschutz ist jetzt weg, was die Presse betrifft. Auch bei Ärzten und Rechtsanwälten sehe ich diesen Schutz als ein zu erhaltendes Gut an.

Geschrieben um 21:38

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Jetzt sind wir alle Verbrecher

2007-11-11
Als am 9. November 2007 das Fernmeldegeheimnis zu Grabe getragen wurde, wurden wir plötzlich alle ein Volk von Verbrechern, ein Volk, dessen intimste Kommunikationsdaten jetzt für 6 Monate gespeichert werden sollen:

Wem habe ich wann eine E-Mail geschrieben? Wen habe ich wann angerufen? Und wo war mein Handy zu dem Zeitpunkt als ich mit dir telefoniert habe? Waren wir eventuell im gleichen Wald? Klar, alles zur Terrorismusbekämpfung. Und zur Aufklärung von Telekommunikationsverbrechen. Also z.B. wenn du mich am Telefon beleidigst. Der Staat vertraut dir und mir halt nicht mehr - und den anderen 80 Millionen auch nicht, deswegen speichert er jetzt Daten von dir, für deren Erhebung bis vor kurzem noch eine richterliche Entscheidung benötigt wurde.

Und dass solche Daten keine Begehrlichkeiten wecken, dass diese Daten nicht für andere Zwecke eingesetzt werden: Das glaubt ja nun auch keiner mehr, seitdem die Mautdaten — bei denen man dir und mir damals versichert hat, dass sie nur zu Abrechnungszwecken dienen — auch zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden. Dass dadurch und durch die Speicherung des Handystandorts übrigens lückenlose Bewegungsprofile von dir erstellt werden können, das sollte dir eventuell auch zu denken geben.

Nicht, dass man diese Speicherung technisch recht einfach umgehen könnte: Ich muss zum Beispiel auf dem Server, den ich betreibe, keinerlei Daten speichern. Universitäten und Internetcafés(!) auch nicht. Und wenn wir beide uns über z.B. über Skype oder Jabber unterhalten, dann muss das auch nicht unbedingt jeder mitbekommen. Du sagst gerade: “Das können Terroristen doch auch, eigene Server aufsetzen oder ins Internetcafé gehen!” - und damit hast du recht. Glaubst du immer noch, dass die Vorratsdatenspeicherung der Terrorismusbekämpfung dient?

Oder will man eventuell doch eine Überwachung aufbauen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat? Deine Daten gehören auf jeden Fall nicht mehr dir. Und wenn du deinen Arzt oder deinen Anwalt anrufst, dann wird das auch gespeichert, wenn du als anonymer Informant mit einem Journalisten reden willst, solltest du dir auch einen anderen Weg als Telefon oder Internet überlegen.

Ausgenommen sind nur Strafverteidiger, Geistliche und Abgeordnete - man will sich ja nicht selber aus Versehen belasten, oder? Aber: Ab wann ist ein Anwalt ein Strafverteidiger? Ab wann ist er keiner? Und: Auch wenn Geistliche ausgenommen sind, so sind andere Einrichtungen wie Sorgentelefone etc. natürlich nicht schutzwürdig.

Dass sich Abgeordnete selbst von der Überwachung ausgenommen haben, empfinde ich übrigens als absolute Unverschämtheit: Wer den gläsernen Bürger möglich macht, hat auch als Abgeordneter so transparent wie möglich zu sein. Und dass Journalisten eben nicht ausgenommen sind, stellt sich mir als weiterer Versuch (erinnert sich noch wer an das saarländische Pressegesetz, das damals Lafontaine durchgeboxt hat?), eine freie Berichterstattung auch gegen den Staat zu erschweren. Und mit welchen Mitteln der Staat mittlerweile gegen die Pressfreiheit vorgeht, zeigt sich an dem Umgang mit Briefen an Berliner Zeitungen oder dem Fall Cicero.

Damit du dich beim nächsten Mal nicht verwählst: Hier die Liste aller Abgeordneten und wie sie abgestimmt haben.

Geschrieben um 18:40

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