Bitte keine öffentliche Kontrolle - es sind ja nur Wahlen

2007-01-06
Wo wir gerade bei Verfassungsklagen sind: Dr. Ulrich Wiesner bereitet eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei Wahlen in Deutschland vor. Auch hier bin ich etwas spät dran, die Frist für die Beschwerde endet am 14. Februar 2007, also bitte schnell handeln!

Wo ist denn jetzt schon wieder das Problem? Einfach: Um allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen zu ermöglichen — siehe Artikel 38 des Grundgesetzes — ist es nötig, dass die Bevölkerung die Möglichkeit hat, jeden Aspekt der Wahlen selbst zu überprüfen.

So steht es jedem zu, sich den ganzen Tag als Wahlbeobachter im Wahllokal aufzuhalten, um sich vom reibungsfreien Ablauf der Wahlvorgänge zu überzeugen. Genauso steht es jedem zu, nach dem Ablauf der Wahl bei der Auszählung der Stimmen dabei zu sein, um sich von der Korrektheit des Ergebnisses für dieses Wahllokal zu überzeugen. Weiterhin muss vor Ort ausgezählt werden, um eine Manipulation der Wahlurne vor der Auszählung zu verhindern. Und jeder kann sich bei der normalen Wahl mit Stift und Zettel einfachst davon überzeugen, was er gewählt hat: Man macht ein Kreuz in einem Kreis.

Werden jetzt Wahlcomputer eingesetzt fallen etliche der obigen Kontrollmöglichkeiten unter den Tisch. Natürlich kann man immer noch Wahlbeobachter sein, man kann sich also immer noch davon überzeugen, dass jede Person nur einmal wählt und dass sich die Wahlhelfer korrekt verhalten. Dann hört es aber auch schon auf.

  1. Ich kann nicht mehr überprüfen, ob der Wahlcomputer wirklich meine Stimme speichert oder sie eventuell einer anderen Partei zuschlägt
  2. Ich kann nicht überprüfen, ob die Stimmauszählung korrekt ist, da im Endeffekt nur eine Liste von Stimmen vorliegt, die der Computer ausspuckt (siehe Punkt 1)
  3. Die Stimmen können nicht erneut ausgezählt werden — wie auch, es gibt nur die Liste des Computers. Artikel 41 des Grundgesetzes fordert aber explizit die Überprüfbarkeit von Wahlergebnissen.
  4. Ich muss den Wahlhelfern vertrauen, dass ein nichtmanipuliertes Gerät eingesetzt wird.
  5. Ich muss dem Hersteller des Wahlcomputers vertrauen, dass alles mit rechten Dingen zugeht
  6. Ich muss darauf vertrauen, dass niemand den Computer während der Wahlen manipuliert. Die Zeit dazu wäre vorhanden, schließlich kann mir niemand vorschreiben, wie lange ich für die Abgabe meiner Stimme brauchen darf.

Die Wahlen basieren also nicht mehr auf öffentlichen Kontrollmöglichkeiten, sondern auf Vertrauen. Und das widerspricht jeglichem demokratischen Verständnis.

Und das alles nur, damit um kurz nach 18:00 Uhr schon Ergebnisse vorliegen — und nicht nur Hochrechnungen. Wollen wir wirklich aus Bequemlichkeitsgründen demokratische Grundregeln über Bord werfen? Nur damit eine Wahlauszählung im Ernstfall keine Woche dauert? Da die Umsetzung des Wahlergebnisses meistens erst Wochen bis Monate später passiert, ist genau das egal.

Deswegen die Bitte, die Wahlprüfungsbeschwerde zu unterstützen. Und sich bei den nächsten Wahlen als Wahlhelfer registrieren zu lassen, damit Wahlcomputer nicht durch die Hintertüre “uns fehlen aber Helfer” eingeführt werden können. Oder bei der Stimmauszählung dabei sein. Gelebte Demokratie halt.

Der Chaos Computer Club Berlin hat ein Wiki zu dem Thema, mit weiterführenden Links und Literaturhinweisen. Dr. Ulrich Wiesner hat auf dem 23C3 in Berlin einen Vortrag mit dem Thema Hacking the Electoral Law gehalten, welcher genauer auf den Demokratieverlust durch Wahlmaschinen eingeht (PDF, in englischer Sprache, aber sehr lesenswert).

Geschrieben um 14:13

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Nix gegen Werbung die ein wenig übertreibt,

2007-01-06
aber muss man für einen Schwangerschaftstest tatsächlich mit den Worten “Begegnen Sie der größten technischen Innovation auf die ein Urinstrahl treffen kann” werben?

Geschrieben um 11:52

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